Europa und die Briten: Botschaftsrat Nick Leake fordert „flexible EU“
Bocholt. Eine Europäische Union, die flexibel ist, in der nicht alle das gleiche Ziel zur gleichen Zeit erreichen müssten – das sei ein allgemeiner Reformwunsch der Briten zum Referendum am 23. Juni 2016. So formulierte Botschaftsrat Nick Leake die derzeitige Situation in Großbritannien. Er sprach im Europahaus Bocholt zum Thema „Die europäische Zukunft Großbritanniens“.
Eingeladen hatte die Deutsch-Britische Gesellschaft Bocholt in Zusammenarbeit mit der Stadt Bocholt, dem Europe-Direct Informationszentrum Bocholt und der Europa-Union Bocholt. Eröffnet und moderiert wurde der Vortrag vom Vorsitzenden der Deutsch-Britischen Gesellschaft, Karl Gerd Geßner. Auch Berthold Klein-Schmeink begrüßte als Geschäftsführer der Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft der stadt Bocholt (Ewibo) die Gäste und stellte humorvoll die Frage, was das Europahaus „mit dem Raum ,Großbritannien’ machen soll, wenn die Briten am 23. Juni 2016 im Referendum mit Nein zur EU stimmten?”
„Nach dem Referendum eine EU mit der Flexibilität eines Netzwerks“
Drei Optionen stellte Leake vor: Die erste Möglichkeit sei die Wunschvorstellung einer 60-prozentigen Zustimmung der Briten zur EU. Danach werde Großbritannien „ein verlässlicher und engagierter Partner sein in einer EU, die wirtschaftliches Wachstum und nationale Sicherheit vorantreibt. Es wird am Tag eins nach dem Referendum eine EU sein, die die Flexibilität eines Netzwerks hat. Es gibt eine EU, die bereit ist, Reformen durchzuführen, um sich den Herausforderungen der derzeitigen Krisen und zukünftiger Krisen stellen zu können. Und zuletzt: Großbritannien wird sich weiterhin für eine EU einsetzen, die wettbewerbsfähiger ist, fokussiert auf die wichtigen Themen und auf die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.“
Möglichkeit zwei: Bei einer Abstimmung mit „50 Prozent plus 1“ werde das Land keine führende Rolle mehr spielen, da, so befürchtet Leake, die EU-Gegner „zu laut werden würden“. Dritte Option: Bei einem „Nein” stehe Großbritannien einer ungewissen Zukunft gegenüber. Das Land habe dann noch zwei Jahre Verhandlungsfrist, so erklärte Leake, und „die Briten müssen sich dann entscheiden.“
Ein hoher Preis bei einem Austritt
Der Verlust der Arbeit, des Wohlstands und der nationalen Sicherheit könnten bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU die Folge sein, sagte der Gastreferent. Leake: „Diese Ängste müssen angenommen werden, und man muss in der Diskussion die Vorteile zum Verbleib in der EU hervorheben.“
In seinem Vortrag beleuchtete Leake die derzeitigen Ansichten der Briten in puncto EU. So zeige sich die geringe Begeisterung der Briten für die EU zum Beispiel in der Wahlbeteiligung. Er sagte auch, dass die Briten niemals den Euro bekommen würden, auch wenn sie in der EU verbleiben sollten.
Leake hob aber auch die Vorteile Großbritanniens als Mitglied in der EU hervor. Insbesondere für Deutschland, aber auch die anderen Mitgliedsstaaten sei Großbritannien seit mehr als 40 Jahren ein verlässlicher Partner.
Lebhafte Diskussion zum Brexit
Im Anschluss an seinen Vortrag stellte sich Leake den Fragen der Zuhörer. Es ging um die Finanzsituation, Europa als Friedensprojekt und EU-Gegner im Unterhaus. Eine der wesentlichen Forderungen beim Referendum beschäftigt sich mit einem Sonderstatus Großbritanniens in der EU und der Möglichkeit, dass Forderungen aus Großbritannien die EU verbessern. Auch nach den Visionen für die Jugend im Bereich der Werte für Demokratie und Menschenrechte wurde gefragt und nach Möglichkeiten, als Deutscher einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Briten beim Referendum mit Ja stimmen. Hier könne die Basis der bestehenden Städtepartnerschaft zwischen Bocholt und seiner britischen Partnerstadt Rossendale eine Kommunikationsmöglichkeit sein, hieß es.
Reiner Bones, stellvertretender Bürgermeister und Vorsitzender des Ausschusses für Städtepartnerschaften der Stadt Bocholt, hatte den Botschaftsrat vor dem Vortrag offiziell empfangen. Er stellte Nick Leake die Europastadt Bocholt mit der besonderen Lage an der deutsch-niederländischen Grenze vor. Ewibo-Geschäftsführer Berthold Klein-Schmeink berichtete über die aktuelle Situation der Flüchtlinge und Arbeitsmigranten in Bocholt. Im Vergleich betrachte Großbritannien die Einwanderung von mehr als 300.000 Menschen pro Jahr für die Wirtschaft sehr positiv. Gleiches erhoffe sich auch die Stadt Bocholt auf lange Sicht, so Klein-Schmeink: „Dafür müssen Flüchtlinge von Anfang an richtig integriert werden.“